Drei Gutachten zur Talumfahrung: Drei dicke Fragezeichen
Verkehrsbelastung steigt kaum / Sicher nur mit Tempo 60 / Geologie verteuert Tunnelbau
Das Regierungspräsidium Freiburg hat seine Homepage zur Talumfahrung Schramberg aktualisiert. Darüber hat Projektleiterin Ying Zeng Schrambergs Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr und Bürgermeister Michael Lehrer aus Aichhalden informiert. „Zur Machbarkeit der Varianten gibt es noch keine Neuigkeiten“, schreibt Zeng. Bekanntlich will das RP die Varianten frühestens nach teuren Bohrungen im Untergrund prüfen. Und ob überhaupt gebohrt wird, darüber müssten die Verkehrsministerien in Berlin und Stuttgart entscheiden.
Schramberg. Auf der Website des RP finden sich nun drei Gutachten: Ein Papier zum Verkehr, eine Tunnelrisikoanalyse und eine Stellungnahme der tunnelbautechnischen Beratung zur Geologie. Lediglich das Verkehrsgutachten ist neueren Datums, nämlich vom 31. Januar. Das Gutachten zum Tunnelrisiko stammt schon vom 31. Oktober 2023, das zur Geologie und Tunnelbautechnik gar von Ende Mai 2023.
Nun amtlich: Prognose im Bundesverkehrswegeplan lag völlig daneben
Im Verkehrsgutachten der PTV Transport Consult in Karlsruhe rücken die Experten zunächst die im Bundesverkehrswegeplan als Grundlage gewählten Verkehrsprognosen zurecht. Um die Talumfahrung in den „Vordringlichen Bedarf“ zu bekommen, hatte man einen starken Anstieg der Verkehrsentwicklung prognostiziert. Nur so ließ sich ein gerade noch erträglicher Nutzen – Kostenfaktor von 2,2 zu eins errechnen.
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Das Verkehrsgutachten der Karlsruher schafft nun auch offiziell Klarheit: „Bereits die Verkehrsbelastungen in der aktuellen Analyse 2023 sind geringer als die im Jahr 2003 berechneten Werte, die für das Jahr 2020 eine Verkehrsbelastung von 19.800 Fz/24h prognostizierten.“ Also Fahrzeugen am Tag. Dies ergebe sich unter anderem aus damals höher angesetzten Steigerungsraten für die Prognose. „Die BASt-Dauerzählstelle Schramberg zeigt für die Jahre 2008 bis 2019 lediglich eine geringe Schwankung.“
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Die Forscher stellen fest: „Werden die Werte für die Jahre 2008 und 2019 direkt miteinander verglichen, ergibt sich eine Differenz von -31 Fz/24h.“ Nach dem Einbruch während der Coronapandemie 2020 und 2021 sind die Werte zwar wieder angestiegen, liegen aber weiterhin im langjährigen Durchschnitt von etwa 14.000 Fahrzeugen. (Seit etwa zehn Jahren weist die NRWZ darauf hin, dass es keinen Anstieg der Fahrzeugzahlen in der Oberndorfer Straße gibt. Nun ist es amtlich bestätigt.)
In ihrer Prognose bis zum Jahr 2035 gehen die Wissenschaftler von einer zusätzlichen Verkehrsbelastung auf der B 462 von 700 Kraftfahrzeugen pro Tag aus. Zur Begründung heißt es: „Die geringen Zunahmen ergeben sich insbesondere durch eine nahezu unveränderte Einwohnerentwicklung und fehlende signifikante gewerbliche Entwicklungen, gepaart mit einem ausgebauten überörtlichen Streckennetz.“
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Fünf Varianten in der engeren Wahl
Das Regierungspräsidium hat bereits fünf Varianten für eine Talumfahrung entwickelt. Vier würden in der Glasbachkurve starten, eine an der Hans-Sachs-Kurve. Ein teil der Varianten verliefe ortsfern zum Rappenfelsen, die anderen sollen irgendwie am Ortsausgang Richtung Schiltach in die Bundesstraße einmünden. Irgendwie, weil die Planer sich dazu noch keine Gedanken gemacht haben.
Je nach Variante berechnen die Planer eine Entlastung der Oberndorfer Straße vom Durchgangsverkehr zwischen 4000 und gut 5000 Fahrzeugen am Tag. Es blieben demnach um die 9000 Fahrzeuge – trotz der Talumfahrung.
Schwierigkeiten sehen die Planer bei den Knotenpunkten an der Glasbachkurve oder weiter talabwärts an der Hans- Sachs-Kurve. Hier könnten „Probleme in der Machbarkeit“ auftreten. Die Gutachter kommen zum Schluss, durch eine Talumfahrung werde der Durchgangsverkehr aufgenommen „und die Ortsdurchfahrt spürbar entlastet“.
Ob dies aber die Baukosten von laut Regierungspräsidium Freiburg im Jahr 2019 errechneten 158 Millionen Euro rechtfertigt? Im Bundesverkehrswegeplan von 2013 hatte man noch mit 119 Millionen Euro gerechnet.
Tunnelrisiken erfordern Tempo 60
Bei der Tunnelrisikobewertung kommen die Gutachter von Nabla Ingenieure aus Auggen zum Schluss, dass für die bisherigen Varianten „kein hinreichendes Sicherheitsniveau prognostiziert“ werden könne. Es seien „daher zwingend weiterführende, robust wirkende Sicherheitsmaßnahmen in der Planung vorzusehen“.
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In allen Trassenvarianten werden die Autofahrer durch lange Tunnels geleitet. Die Längen schwanken zwischen 2,5 und 3,1 Kilometern. Alle führen in langen Bögen durch den Paradiesberg.
Die wichtigste Sicherheitsmaßnahme würde in einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 60 bestehen, schreibt der Gutachter. Außerdem müsste man alle 150 Meter Notausgänge und zusätzliche Brandmelder installieren.
Tunnelneigungen eigentlich nicht zulässig
Das Problem: Alle Tunnelvarianten sehen Längsneigungen von bis zu sechs Prozent vor. Neue Tunnels sollten eigentlich weniger als drei Prozent Neigung aufweisen. Längsneigungen von mehr als fünf Prozent sollten vermieden werden. Weitere Gefahren sieht der Gutachter in den Kurvenradien von bis zu 200 Metern: „Die Haltesichtweiten können nicht eingehalten werden.“
Schließlich warnt der Sicherheitsexperte vor den vorgelagerten Verkehrsknoten an den Tunneleingängen: „Dies führt zu einer erhöhten Gefährdung in den Portalbereichen.“
Bei seiner Analyse kommt er zum Schluss, bei den für Schramberg geplanten Tunnelvarianten läge das Risiko für Brände und Kollisionen höher als bei RABT-Projekten. (Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln).
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Dies lasse sich nur durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 Stundenkilometer korrigieren. Nur so wäre „ein hinreichendes Sicherheitsniveau“ zu erreichen.
Bei Tempo 60 auf der Umfahrungsstrecke dürfte die Akzeptanz der Talumfahrung deutlich sinken und der Entlastungseffekt für die Ortsdurchfahrt noch geringer ausfallen.
Geologie spricht für ortsferne Varianten
Das dritte nun veröffentlichte Gutachten bewertet die fünf vorgeschlagenen Varianten aus geologischer Sicht. Die Gutachter aus Weinheim vom WBI-Institut haben insgesamt zehn Varianten geprüft. Sie gehen wegen der Gesteinsformation „Unterrotliegendes“ im Bereich der Tunnelbauvariante K1 davon aus, „dass beim Tunnelbau in dieser Formation bei entsprechenden Überlagerungen auch aufwändigere Sicherungsmaßnahmen erforderlich werden, die die Kosten und die Bauzeit ungünstig beeinflussen“.
Diese Variante K 1 würde von der Hans-Sachs-Kurve zum Ortseingang am Ende des Hammergraben führen.
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Sie empfehlen daher Varianten, in denen die Tunnelbohrer im Granit vordringen. Diese verliefen von der Glasbachkurve zum Rappenfelsen. Allerdings sei auch hier mit „Störungen zu rechnen und damit mit einer stärkeren Beeinträchtigung des Tunnelbaus und damit mit höheren Kosten und einer geringeren Vortriebsgeschwindigkeit“.
Die geologischen Gutachter empfehlen aus ihrer Sicht die stadtfernen Varianten mit Endpunkt beim Steinbruch Rappenfelsen. Die stadtfernen Varianten würden allerdings einen geringeren Entlastungseffekt für die Ortsdurchfahrt bringen, wie die Verkehrsgutachter herausstellen.
Die Geologen empfehlen, vor einer genaueren Erkundung der Bodenverhältnisse durch Tiefenbohrungen, die Varianten weiter einzugrenzen, „um die Kosten für die Erkundungen zu begrenzen“. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Das Regierungspräsidium will, wie berichtet, solche Probebohrungen wegen der hohen Kosten von den Verkehrsministerien genehmigen lassen. Erst will man bohren, um danach über die Varianten zu entscheiden, findet das RP.
Wie weiter?
In wenigen Jahren werden die Arbeiten am Bundesverkehrswegeplan 2045 beginnen. Ob dann die Talumfahrung Schramberg erneut in den „Vordringlichen Bedarf“ kommen wird, werden die dann gewählten Abgeordneten des Bundestags dann entscheiden. Volker Kauder jedenfalls wird nicht mehr dabei sein.
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